Mit dem Van durch Frankreich – Wie lebt es sich Vollzeit im Van? Unsere Frankreich-Highlights, von abenteuerlichen Schluchten, einer Charta der Freiheit und einer versunkenen Stadt – und über autarkes Leben im selbstausgebauten Campervan.
Table of Contents
Projekt Vanlife
Was anfangs nur eine irrwitzige vage Idee war, ist nun unsere Realität!
Nach vielen Monaten der Recherche, der Planung und unzählige Stunden, in denen wir vermessen, gesägt, Nietmuttern gesetzt, gebohrt, geschraubt, gestrichen, geschmirgelt und wieder gestrichen, uns in den Tiefen des Baumarkts verloren, die unergründlichen Schrägen und Rundungen des Transporters verflucht, wieder vermessen, neu gesägt, Lösungen gesucht und gefunden haben, sind wir ins Vanlife gestartet.
Darf ich vorstellen: Unser Weggefährte “Kurt” und neues Zuhause
Nachdem wir alles ausgemistet und losgelassen haben, starten wir unsere Tour.
Mitten in freier Natur stehen, türkis schimmerndes Meer oder den rauschenden Gebirgsfluss direkt vor der Tür, mit dem selbst ausgebauten Van Energie-autark sein und da bleiben, wo es schön ist. Kreativität fließen lassen, neue Welten entdecken, den Duft der Seelenruhe atmen.
Wird sich unsere Vision des ersehnten Vanlife erfüllen?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier … Routine finden im Vanlife
Alles ist anders. Was bisher eine Selbstverständlichkeit gewesen war, beansprucht nun fast täglich unsere Nervenzellen. Mit wie viel bzw. wenig Wasser lässt es sich auskommen, sodass wir möglichst lange frei stehen können? Wie suchen wir unseren Schlafplatz aus, sodass wir uns sicher und wohl fühlen? Wie sind die rechtlichen Bedingungen im jeweiligen Land? Wo entsorgen wir unseren Müll?
“Wie ist der Energie-Pegel?”, rufe ich zu ihm hinüber. – “70%, nein, nun auf 69%”, ruft er zurück, die Augen konzentriert auf das Controlpanel gerichtet. Ich komme mir vor wie ein Offizier des Raumschiff Enterprise. Ich drücke auf das Bedienpanel und erhöhe meine Geschwindigkeit. Die Aufgabe: Die Mission zu Ende führen bevor das kritische Energielevel erreicht ist. – Wir bereiten unser Abendessen zu.
Gestern und heute war es regnerisch gewesen und wir haben noch kein Gefühl entwickelt wie viel Energie verschiedene Kochweisen benötigen. Auch die Handgriffe sitzen noch nicht: Wo haben wir welche Lebensmittel verstaut? Wo sind die Kochutensilien? Wie kommen wir an einander vorbei um die notwendigen Schubladen zu öffnen ohne etwas umzustoßen? Das Leben zu zweit auf 6qm … wenn man bisher kein Teamwork gelernt hat, dann spätestens jetzt 🙂
Die ersten Nächte freistehen, mitten in der Natur, waren aufregend. Belohnt wurden wir jedesmal mit herrlichen Ausblicken, frischer Luft und mit dem Gesang der Nachtigall am Abend und Vogelgezwitscher am Morgen. Unbezahlbar!
Frankreich-Tour beginnt – Romantisches Elsass
Unsere Tour führt uns durch das romantische Elsass mit seinen Fachwerkhäusern, Burgen und Weinbergen. Neben Straßburg fanden wir besonders Kaysersberg, Soufflenheim (Fachwerkflair mit Töpferwerkstätten – der Ort wird daher auch Cité des Potiers genannt), Selestat, Colmar und die Hochkönigsburg sehenswert.
Die Festung des Löwen – und eine versunkene Stadt
Unsere Route war nur bestimmt von drei vorab geplanten Stationen: Taizé, Mittelmeer-Küste und Carcassonne. Ansonsten wollten wir uns einfach treiben lassen.
Und so wurden wir von der Festung des Löwen und einer versunkenen Stadt überrascht…
Wir hatten zwei Nächte an einem großen See übernachtet, entspannende Spaziergänge an seinen Ufern genossen. Als wir weiterfuhren, führte uns der Weg mitten durch eine Stadt und da sah ich ihn aus den Augenwinkeln – ich glaubte kaum meinen Augen zu trauen. Da prangte ein mächtiger steinerner Löwe an einem Felsen hoch über den modernen Dächern. Der Löwe von Belfort – Was für ein Anblick! Ein Stück weiter kamen wir an der beeindruckenden Wallanlage vorbei, teilweise unter Moos und Gras verborgen.
So hielten wir spontan an um die Festungsanlage zu erkunden. Mehr als zwei Stunden überquerten wir Brücken, duckten uns durch Tunnelgänge und schritten durch mächtige Tore. Die Fotos schaffen es nicht den Eindruck zu vermitteln wie gewaltig die Maße dieses Bauwerkes sind.
Die Charta der Freiheit – Der Rat der Neun
Hier fand im “dunklen Mittelalter” auch eine “moderne” Entwicklung statt: Der damalige Comte Renaud de Bourgogne befreite die Bevölkerung von Belfort von Leibeigenschaft und Frondienst. In einer großen Zeremonie wurde durch die öffentliche Überreichung einer Emanzipationsurkunde den Bürgern 1307 die Freiheit verkündet. Der Grund für die Befreiung war ebenfalls “modern” – es ging schlichtweg um Geld. Anscheinend benötigte der Comte Geld für einen Kriegsfeldzug und so ergriffen die Bürger die Chance und erkauften sich ihre Freiheit.
Es wurde ein Gemeinderat bestimmt, der von neun Ratsherren geleitet wurde, die jährlich per Los ermittelt wurden. Jeder dieser Ratsherren vertrat ein Bezirk / Stadtquartier, darunter auch Händler und Handwerksmeister. Auch die Gerichtsbarkeit unterlag diesem gewählten Rat.
Dies hatte ein Blütezeit zur Folge: Handwerker, Künstler und Händler ließen ich in Belfort nieder. Hier genossen die Menschen eine Freiheit, die sie in anderen Teilen des Landes erst mit der Französischen Revolution erhielten. Auf deutschem Gebiet wurde Leibeigenschaft erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgeschafft, im Russischen Zarenreich sogar erst 1861.
Die Entdeckung einer versunkenen Stadt
Auf dem Weg zu unserem nächsten Schlafplatz führte uns das Navi über abenteuerliche Wege, kaum breit genug für unseren dicken Kurt. Irgendwann fanden wir einen Weg zurück, hinab zu einem kleinen Dorf. Ein schmaler Weg führte durch Waldgebiet in eine Talsenke, dann über eine alte schmale Brücke in eine kleine Ansiedlung mit nur wenigen Häusern und einer Kirche. Es schien wie ein verlorenes Tal mitten im Nirgendwo. Nur Wiese, weidende Kühe, links und rechts erhoben sich bewaldete Anhöhen.
Was ich am nächsten Morgen entdeckte, ließ mich nicht schlecht staunen…
Überall in der Siedlung waren Info-Tafeln und Beschilderungen aufgestellt. Hier ein paar Ruinen, dort ein paar Steine. In diesem verschlafenen Tal, mitten im Nirgendwo, verborgenen unter unseren Füßen lag die versunkene Hauptstadt Anderitum der römischen Provinz Aquitanien.
Vor etwa 2000 Jahren war hier tosendes Leben. Archäologen zufolge gab es hier neben monumentalen Verwaltungsgebäuden und Tempeln eine große Therme, ja sogar ein Amphitheater und natürlich jede Menge Wohngebäude und Handwerksbetriebe.
Und wie es in der Geschichte so oft gewesen, war auch dieser Ort ein Ort der Unterdrückung und Machtdemonstration. Denn laut archäologischen Erkenntnissen lebten auf diesem Gebiet die gallischen Gabalen. Es soll hier ein keltisch-gallisches Quell-Heiligtum gegeben haben, was es zu einem besonderen Ort für die Gallier machte. Und da die Gabalen dem gallischen Widerstandskämpfer Vercingetorix folgten, der sich dem Eroberungdrang des Julius Cäsar widersetzte, wurde ihre Siedlung ausgelöscht. Im 1. Jh. vor Chr. wurde mit dem Bau der römischen Provinz-Hauptstadt ein Exempel statuiert. Noch 300 Jahre lang herrschte hier buntes Treiben.
Heute grasen hier nur noch Kühe.
Gewaltige Felsenlandschaft und malerische Dörfer – Die Tarnschlucht
Nachdem wir übers Elsass ins Burgund sind um ein paar Tage in der Communauté von Taizé zu verbringen, haben wir eine wundervolle Woche in der Tarnschlucht (Gorges du Tarn) verbracht. Dort gibt es traumhafte Natur-Campingplätze, direkt am Fluss. Kein Auto- oder Fluglärm, nur das Plätschern des Wassers, das Rauschen des Windes (der zuweilen ziemlich stürmisch sein kann!) und Vogelgezwitscher. In der Nebensaison haben wir 20€ pro Nacht für uns beide und den Van gezahlt. Wir haben jeden Tag genossen!
Entlang des Flusses finden sich malerische Dörfer und Städtchen mit Burgen, Türmen, verwinkelten Gassen. Besonders sehenswert fand ich folgende Orte: Peyrelau, Castelbouc, Sainte-Enimie, Saint-Chély-du-Tarn. Durch die verwinkelten Gassen schlendern, eintauchen in die Geschichte der alten Mauern, cremigen Capuccino in einem der Cafés schlürfen…
Nachdem wir die romantischen mittelalterlichen Dörfer und Städtchen in der Tarnschlucht bestaunt haben – am liebsten hätte ich an jedem einzelnen gehalten! – sind wir zunächst ans Mittelmeer und dann weiter ins Landesinnere des Languedoc gefahren. Auch dort wieder traumhafte Städtchen im mittelalterlichen Baustil.
Carcassonne – Hochburg der letzten Kathararer
Ein weiteres besonderes Highlight war Carcassonne in der Region Languedoc. Die Burganlage ist eine der am best erhaltenen in Europa, über mehrere Jahrzehnte wurde sie liebevoll restauriert (nur 20-40% der Bausubstanz waren zerstört). Das Bauwerk ist gewaltig, wirklich eindrucksvoll! Über die Geschichte der Burg und ihrer Bevölkerung (die letzten Katharer) werde ich in einem eigenen Artikel schreiben.
Wir standen für zwei Nächte auf dem lokalen Campingplatz (mit Swimmingpool und nur 20 min zu Fuß an einem Bach entlang bis zur Burg – sehr zu empfehlen).
Fazit – Vanlife in Frankreich
“Freistehen” in Frankreich. In jedem noch so kleinen Ort gibt es in Frankreich einen kleinen kostenlosen Stellplatz für Camper mit Toilette, Müllcontainer und Frischwasser. In der Natur freizustehen ist unseres Wissens nur bis zu 3 Nächten erlaubt sofern man kein Camping-Verhalten zeigt, sondern einfach nur übernachtet.
An vielen Tankstellen und den meisten großen Supermärkten gibt es öffentliche Waschmaschinen, wo man für 5€ seine Kleidung waschen kann. Bisher haben wir dies jedoch gegen das gleiche Entgelt auf Campingplätzen erledigt.
Für digitale Nomaden: in vielen (großen) Supermärkten gibt es Simkarten-Automaten, wo man sich lokale Simkarten besorgen kann (Marke Free) – 80 GB Datenvolumen im Monat für unschlagbare 10€ mtl.! (Stand 2022)
Und wie ist das mit dem Autark leben im Van?
Mittlerweile haben wir ein Gefühl für den Verlauf der Sonne entwickelt, für Windrichtung und Boden-Untergründe und das Aussuchen von Schlafplätzen in der freien Natur. Immer öfter und immer länger (manchmal bis zu sieben Nächten) stehen wir an traumhaften Orten. Wir lernen immer achtsamer mit Wasser umzugehen und durch den Kauf von Obst und Gemüse auf Märkten produzieren wir auch immer weniger Müll. Wahrhaft begeistert sind wir von unserer Solaranlage, durch die wir ausreichend Energie durch Sonnenlicht erhalten, sodass wir auch elektrisch kochen können, somit also kein Gas benötigen.
Die Tür öffnen und direkt am Strand zu sein, oder inmitten eines frischen Waldes an sprudelndem Gebirgsbach, oder mit Wellenrauschen einzuschlafen – ist einfach traumhaft! Auch unser Blick für die Natur – für die Veränderungen der geographischen Landschaft und für die noch so kleinen Tieren und Pflanzen – ist anders geworden: intensiver, achtsamer, bewusster.