Eines ist vollkommen klar: unsere Welt braucht Veränderung. Und auch dies ist klar: wir schaffen es nur gemeinsam. Weltweit schließen sich Menschen zu gemeinschaftlichen Experimentierfeldern zusammen um kreative Lösungen für die zentralen Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft zu finden.
Die Gemeinschaft Schloss Tempelhof in Baden-Württemberg ist eine davon – Reise- und Bildungstipp zugleich!
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Wie kann eine nachhaltige Zukunft aussehen? Was trägt zum Gelingen einer Gemeinschaft bei?
Nach ausreichend theoretischer Auseinandersetzung wollte ich das Konzept “Ökodorf” live erleben. Für sieben Tage arbeitete ich mit, durfte am Alltag teilhaben, Gemeinschaft miterleben.
Mitten im landschaftlichen Grün, fernab jeder Industrie, aber nahgelegen zu umliegenden Dörfern und der Stadt Crailsheim, liegt dieser überschaubare Gebäudekomplex, dieses Paradies einer gelebten Zukunftswerkstatt. Die einzig gewaltige Geräuschkulisse ist das Rauschen der Bäume, Vogelgezwitscher, das Gackern von Hühnern. Was mir bei meiner Ankunft als erstes auffällt sind die vielen im Dorf verteilten Sitzgelegenheiten, Gemeinschaftsplätze, bunte Hängematten, Stelzen in unterschiedlichen Größen… und ein Doppel-Kettcar – designed für Kind + Erwachsenen. Dieser Ort gefällt mir jetzt schon, ohne dass ich nur ein Wort mit jemandem gewechselt habe. Die Gespräche der Tempelhofer, die es sich zum Nachmittagskaffee in den vielzähligen Sitzecken gemütlich gemacht haben, fühlen sich wie sanftes Hintergrundrauschen an. Die Kommunikation geprägt von aktivem Zuhören, Ich-Botschaften und Feedbackkultur – und viel herzlichem Lachen.
Da die Rezeption nicht besetzt ist, spreche ich eine Frau in Küchenschürze an, die soeben aus der Gemeinschaftskantine kommt. “Die wird sicher hier arbeiten”, denke ich, noch ganz in der Denkstruktur der normalen Gesellschaft gefangen. Wie sich später herausstellte, war die “Küchendame” u.a. Aufsichtsrätin der Genossenschaft und Unternehmensberaterin. “Jeder Bewohner gibt 5 Arbeitsstunden pro Woche an die Gemeinschaft”, werde ich später erfahren.
Wer lebt hier? Wie ist die Gemeinschaft organisiert und was zeichnet das Ökodorf Schloss Tempelhof aus?
Die Facts über das Ökodorf Schloss Tempelhof
Vor etwa 10 Jahren begann die Gemeinschaft mit 5 Visionären aus München. Schnell konnten sie andere von ihrer Idee begeistern, wobei einen geeigneten Ort zu finden kein so leichtes Vorhaben war wie zunächst gedacht. Agnes – eine der Gründerinnen – erzählt von den Anfängen: 3 Jahre habe der Prozess gedauert ein geeignetes Grundstück zu finden. Im Nachhinein sei dies ein Geschenk gewesen, denn so konnte die stark gewachsene Gruppe eine gemeinsame Vision entwickeln und das wichtigste: ihren inneren Zusammenhalt stärken, sich auf einen gemeinsamen Wertekanon einigen.
Mittlerweile leben hier etwa 150 Personen mit einem Altersdurchschnitt von 32 Jahren (die älteste Person 72 – das jüngste nur wenige Wochen alt). Es gibt ein gut gemischtes Potpourri an inspirierenden Persönlichkeiten, Generationen und Beruflichen Hintergründen. Es gibt einige Handwerker, Künstler, viele Unternehmer, ein Großteil hat akademischen Bildungsgrad, manche sind spirituell oder religiös, andere eher pragmatisch. Viele haben schon Gemeinschaftserfahrung gesammelt, entweder in Studentenzeiten oder in Ökodörfern wie Sieben Linden, Findhorn, Tamera u.a.
Allen gemeinsam ist: weltoffen engagieren sie sich für positiven Wandel, sie wollen ihre Kreativität und Können für eine bessere Zukunft, für ein nachhaltigeres Zusammenleben einsetzen. – Jeder auf seine Weise.
Beeindruckend was die Tempelhofer in diesen Jahren aufgebaut haben: von den Gemeinschaftsstrukturen, über die Energieversorgung bis hin zur Freien Schule und dem ersten Earthship Deutschlands. In vielem sind sie wahrhaft Pioniere: handelten mit den örtlichen Behörden Vorgehensweisen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten aus wo es bisher keine Präzedenzfälle gab. Somit sind sie Wegbereiter für viele andere Gemeinschaften und werden als Mentoren zu Rate gezogen.
“Und wir sind noch lange nicht am Ende – wir haben noch so viele Ideen, die wir umsetzen wollen; noch so viel was wir verbessern können”, verrät Agnes. “Jeder Tag hier ist Projekt-Tag und keiner wie der andere”, zwinkert Klaus.
Die Basis von allem: Gemeinschaft beginnt beim ICH
- Selbstreflexion, Eigenverantwortung, Gewaltfreie & Authentische Kommunikation, Offenheit, Toleranz, Vielfalt akzeptieren
- Basisdemokratische Entscheidungsstrukturen mit Konsensverfahren
- All-Leader-Prinzip
- Gemeinsame Vision; Teambildende Aktivitäten
- Gemeinschaftsplätze im Dorf, Gemeinsame Feste
- Potenzialentfaltung: jeder darf und soll sich nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten einbringen.
- Kinder werden in der im Dorf betriebenen freien Schule dahingehend unterrichtet die oben genannten Qualitäten zu entwickeln, sie haben die Freiheit ihr Potenzial und ihre Kreativität entfalten zu dürfen – in ihrer eigenen Geschwindigkeit.
Gemeinsam nachhaltig wirtschaften
- Genossenschaftlich organisiert
- Gemeinsam genutzt wird: Waschküche, Werkstatt, Hausmeisterei, an die SoLawi gekoppelte Kantine.
- Darüber hinaus gibt es Wohngemeinschaften,
- Car-Sharing, Bike-Sharing,
- Tauschbörse/ „Schatzkammer“,
- Offene + kostenlose Bibliothek,
- Solidarische Landwirtschaft (SoLawi)
Ökologisch wirtschaften
- Permakultur
- Biolandwirtschaft und Bienenhaltung
- Solarenergie
- Biomeiler
- Pelletheizung
- Earthship
- Individuellen ökologischen Fußabdruck durch gemeinsames Wirtschaften minimieren.
> 80% der Energie des Stromverbrauchs produziert Schloss Tempelhof selbst!

Ökodorf Schloss Tempelhof als Ausflugsziel & Lernort
Du interessiert dich für Permakultur? Oder Kommunikation? Du interessierst dich dafür wie wir ökologisch nachhaltig und wirtschaftlich gerecht miteinander leben können? Du willst das erste Earthship Deutschlands von innen sehen und wissen wie das alles funktioniert?
Tempelhof bietet verschiedene Möglichkeiten sich in der großen Lernwelt Ökodorf weiterzubilden! Im Rahmen des Seminarbetriebs gibt es eine Reihe an unterschiedlichen Fortbildungsangeboten, sowie die Möglichkeit das Ökodorf im Rahmen einer Gasthelferwoche, eines Freiwilligen Ökologischen Jahrs (FÖJ) kennenzulernen oder einfach zu einem Tagesausflug mit Führung durch das Earthship mit anschließendem Besuch im gemütlichen Café.
Zu den Veranstaltungen und für mehr Informationen zu Tempelhof schau hier vorbei.
Gewinne einen Eindruck wie alles begann – aus der Sicht eines Bewohners: Abenteuer Gemeinschaft
Mein Fazit
Die innovative Konstruktion des Earthship ist einfach nur mind-blowing weshalb Tempelhof allein dafür schon ein Aufenthalt wert ist! Nachhaltig beeindruckt hat mich die basisdemokratische Verfahrensweise, die ich im Dorfplenum miterleben durfte. Wer schon einmal in politischen Gremien unterwegs war kann verstehen, dass man mitunter den Glauben an die Menschheit verlieren könnte. Doch auch hier zeigt Tempelhof, dass es anders geht – absolut inspirierend und Mut machend.
Als Gasthelferin erhielt ich spannende Einblicke in die verschiedenen Arbeitsbereiche und Gemeinschaftsstrukturen, wobei ich die persönlichen Gespräche mit den Tempelhofern als bereicherndste Erfahrung mitnehme. Die Impulse, die ich dadurch erhielt, werden noch lange nachwirken. Danke dafür!
Sei du die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst
Mahatma Gandhi