Ein Mitmach-Projekt der besonderen Art: Im Einklang mit der Natur leben und dabei sich selbst neu entdecken. Mit Paula führe ich ein Gespräch über Permakultur, den Flow des Lebens und über Kreatives Miteinander, wo jeder seine Fähigkeiten einbringen, sich selbst beim Tun neu entdecken kann.
Das Tiefblau des Golfs von Messini glitzert vor mir im Sonnenlicht. Um mich herum schießen Airbnb-Paläste und Ferienhaus-Anlagen von wohlhabenden Griechen sowie nordeuropäischen und amerikanischen Auswanderern in die Höhe, wo einst Olivenhaine wuchsen. Wir befinden uns auf der Mani – dem zweiten Finger der Peloponnes, im Hinterland des Küstenstädtchens Stoupa. Das Gebiet endet an einer Felsenschlucht, auf der anderen Seite findet sich grünes Dickicht von Olivenbäumen und Büschen, buddhistische Gebetsfähnchen flattern bunt im Wind, kaum sichtbar sieht man ein rot schimmerndes Dach durch das Grün der Blätter hindurchblitzen. „Ich bin auf der falschen Seite!“, schießt es mir durch den Kopf. Während auf dieser Seite die Auswüchse des Kapitalismus protzig in die Höhe ragen, die Natur beiseite schieben, sie sich untertan machen, befindet sich drüben auf der anderen Seite, eingekuschelt in die Natur, Paula’s Permakultur-Projekt.
Table of Contents
Gegenentwurf zum kapitalistischen Ferienhaus-Paradies
Ein paar Tage später stehe ich neben Paula in ihrem Garten Eden. Mit ihrer hoch aufgeschossenen schlanken Gestalt, volumönises kurzes Haar in edlem Weiß, leuchtend blaue Augen strahlt die gebürtige Amerikanerin so viel Energie aus, dass man nicht glauben kann, dass sie bereits 70 Lebensjahre zählt. Sie lacht wissend auf, als ich ihr von meinem Erleben auf der „anderen Seite“ erzähle: „Das ging mir auch so vor vielen Jahren. Deshalb habe ich das Land hier gekauft: Um etwas Land vor dem Bauwahn zu retten, einen Anfang zu machen und andere damit zu inspirieren. Ich wollte ein Ort des gemeinsamen Lernens schaffen.“
Mit dynamischen Schritt führt sie mich durch ihr kleines Paradies von 1,5 Hektar Fläche mit dem Namen “Prosiliako” (griechisch für: “Der Sonne zugewandt”). Früher, vor über 50 Jahren sei hier noch Getreide angebaut worden. Ein kreisrunder Steinplatz, auf dem das Getreide gedrescht wurde (griech.: Aloni), zeugt noch davon. Ich wundere mich wie hier überhaupt etwas wachsen konnte: das Gelände ist abschüssig und überaus felsig und steinig.
Paula scheint meine Gedanken zu erraten. Durch die herkömmlichen Landwirtschaftsmethoden wurde der Boden ausgelaugt und humusreiche Erde weggeschwemmt, erklärt sie mir. Dann habe es lange Zeit brach gelegen, wurde überwuchert von Gestrüpp. Aber, ihre Augen glitzern dabei, haben sich auch wilde Olivenbäume angesiedelt. Deren Früchte seien kleiner, aber intensiver und können daher zu medizinischen Zwecken verwendet werden.
Permakultur-Prinzip: Folge den Formen der Natur
Auf schmalen Kieswegen, über Lehmstufen und Felsentreppchen gelangen wir zur mittig gelegenen Außenküche. Es war das erste Gebäude, das sie gebaut habe. Aus Lehm geformt bildet es eine organische, offene Form. Es schließt sich an einen Halbkreis von natürlichem Felsgestein an, das nun die Rückwand der Außenküche bildet. Der verwendete Lehm stammt ebenfalls vom Gelände selbst.
„Das ist das erste was du bei Permakultur lernst: beobachte das Land genau. Wie ist die Beschaffenheit der Erde, das Gestein, wo wachsen welche Pflanzen. Wo finden sich natürliche Formen, die du nutzen kannst, sodass du nicht radikal in die Natur eingreifen musst. Stattdessen nutzt du was da ist.“, erklärt sie mir. „Statt die Natur zu zerstören, folgst du ihren Formen“.
Das erste Jahr sei von diesem Leitspruch geprägt gewesen. Die ersten Monate habe sie zunächst damit zugebracht das Terrain sichtbar zu machen, indem sie das ganze Gestrüpp zurückschnitt, Wege und Terrassenhänge freilegte. Danach ging es darum zu beobachten wie der Verlauf der Sonne ist, wo haben sich welche Pflanzen angesiedelt, welche Bodenarten sind vorhanden, wie sammelt sich das Regenwasser bzw. wo bilden sich bei Regen natürliche Wasserverläufe.
Das Entfernen des Gestrüpps hielt einiges an Überraschung bereit: Es brachte nicht nur den Aloni (Getreide-Dreschplatz) zu Tage sondern auch den Zugang zu einer Höhle sowie die Überreste eines traditionellen Steinhauses, das nun als Gemeinschaftshaus genutzt wird.
Außerdem bietet das Land eine Fülle an essbaren Wildpflanzen: Salbei, Thymian, Oregano, Petersilie, Lauch, Salat und sogar Spargel.
Folge dem Flow,vertraue dem Leben
Ich staune was Paula in den Jahren hier alles aufgebaut hat. Doch Paula wiegelt ab: “Das war nicht ich alleine. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt”. Genau so wie sie beim Gelände den Formen der Natur folgt, sei sie bei der Entwicklung der Vision für das Projekt dem Flow des Lebens gefolgt.
Angefangen habe es damit, dass sie alleine auf dem Gelände das Gestrüpp zurückschnitt. Da kam ein Nachbar vorbei und meinte: “Auf diese Weise brauchst du noch Jahre! Ich helfe dir, ich bring mein Schneidewerkzeug mit”. Und so kam es, dass immer wieder Menschen in ihr Leben traten und für ein paar Wochen, andere für Monate und sogar Jahre mit ihrem speziellen Know-How und ihrem kreativen Entdeckergeist mitwirkten.
Um uns wuseln ein paar „Woofer“, zwei bereiten Essen zu für alle, andere sind auf dem Weg zum Garten oder besorgen Werkzeug um am Workshop-Haus neben der Yoga-Plattform weiterarbeiten zu können. Paula blickt dankbar um sich. „Es war ein Geschenk, dass ich diese Plattform Wwoofing entdeckte.“ Wwoofing ist ein Internetportal, das Adressen zu Ökoprojekten weltweit online stellt, sodass ich Interessierte, die an solchen Projekten mitwirken möchten, sich informieren und bewerben können.
Ein weiterer Entwicklungsboost seien die Corona-Lockdowns gewesen. Mehrere Reisende waren hier gestrandet, die eigentlich auf Europa-Reise oder von einer Weltreise auf dem Weg zurück waren. So entstand eine Gemeinschaft, die Prosiliako zu ihrem Wohnort für viele Monate machte. Gemeinsam tauchten sie in die Umsetzung der Permakulturprinzipien ein, pflanzten Bäume, experimentierten mit ökologischem Holz-Lehmbau, brachten ihre Kreativität ein. Vier davon sind immer noch hier, sie bilden mit Paula die Kerngemeinschaft von Prosiliako.
Prosiliako ist ein Ort des gemeinsamen Lernens und Experimentierens, wo jeder seine Kreativität freien Lauf lassen kann. Auf diese Weise wächst das Projekt auf organische Weise. “Es ist besser geworden als ich mir je hätte vorstellen oder alleine planen können!”.
Nachtrag: Prosiliako hat nun eine Webseite mit Informationen zum Projekt und vielen Bildern, die den Entwicklungsprozess und die Atmosphäre von Prosiliako widerspiegeln – HIER.
In Gemeinschaft leben und kreativ wirken
Mitunter leben auf dem Gelände zwischen sechs und zwölf Personen. Einige, die für ein Wwoofing-Erlebnis kamen, kehren immer wieder für ein paar Wochen zurück. Explizite Regeln für das Zusammenleben gebe es keine, sondern es gelte das Hauptprinzip: „Respektiere jeden und respektiere die Natur“ und natürlich folgen sie den drei ethischen Grundsätzen der Permakultur nach Mollison und Hollgrem:
Earth Care – Sorge für die Erde
People Care – Sorge für die Menschen
Fair Share – Begrenze Konsum und Wachstum, verteile Überschüsse
Bei Entscheidungen sind alle mit dabei. Einmal pro Woche gibt es ein Meeting wo die Hauptaufgaben besprochen werden und jeder seine Anliegen und Projektideen einbringen kann. Eigenverantwortlichkeit und Mitgestaltung, die eigene Kreativität zur Entfaltung kommen lassen sind wichtige Komponenten im Zusammenleben.
Um Prosiliako herum gibt es ein größeres Netzwerk, von Bekannten und Freunden, die ebenfalls nach ökologischen Prinzipien wirtschaften. Neben Wissensaustausch und dem Teilen von Werkzeug oder Arbeitskraft gibt es regelmäßig gesellige Treffen und gemeinsames Feiern.
Wie funktioniert die Wasserversorgung in einem Regenarmen Gebiet ohne eigene Wasserquelle?
Die Mani ist ein sehr felsiges, wasserarmes Gebiet. Die Sommer sind heiß und trocken ohne Niederschlag. Dazu kommt, dass das Projektland über keine eigene Wasserquelle verfügt. Wie also kann das Land und die darauf lebenden Menschen mit ausreichend Wasser versorgt werden?
Anlegen von Terrassen
Nachdem Paula also die Wasserverläufe bei Regen beobachtet hatte, war der nächste Schritt Sturzbäche durch Regenfälle zu verhindern. Indem sie vorhandene Terrassen festigte, weitere anlegte, und Gartenbeete so gestaltete, dass diese Wasser auffangen, konnte das Grundwasser steigen. Außerdem bewässert das Regenwasser nun das was es soll und schwemmt keine Erde mehr weg.
Zisternen
Als weitere Maßnahme hat jedes Gebäude einen eigenen Wassertank. Solche sind in verschiedenen Größen überall in Griechenland zu sehen. Sie sind für die dürren Monate Juli-September gedacht, wenn das Grundwasser zu stark gesunken ist um es noch anzapfen zu können. Die Häuser in Prosiliako sind mit Wellblechdach versehen, was sich besonders gut eigne um Regenwasser in die Auffangbehälter abzuleiten. Natürlich könne man auch die Ziegel aus Ton verwenden, das sei jedoch eine Frage des Geldes.
Zisternen haben eine lange Tradition auf der Peloponnes. In jedem Dorf finden sich öffentliche und private Zisternen, die Jahrhunderte alt sind. In den byzantinischen Städten des Mittelalters wie Mystra und Monemvasia finden sich riesige Wasserreservoirs, die noch erstaunlich gut erhalten sind.
Die Behälter fassen etwa 50.000 Liter Wasser, das jedoch nur für Brauchwasser und Bewässerung der Pflanzen genutzt werde. Es reiche bis August, dann werde es knapp, da dann kaum noch Regen falle. Trinkwasser wird von der Quelle unten aus dem Dorf geholt.
Kreislaufwirtschaft
Das Regenwasser wird mehrfach verwendet, denn Spül- und Duschwasser kann aufgrund der Bio Seife anschließend zur Beetbewässerung genutzt werden, semipermeable Tonvasen diffundieren das Regenwasser nachhaltig und unterstützen so die Bodenstruktur.
Ein weiterer wichtiger Aspekt zum Wassersparen: Komposttoiletten. Der Wasserverbrauch von herkömmlichen Toiletten ist exorbitant. Durchschnittlich verbraucht jeder Einwohner Deutschlands pro Tag 35 Liter sauberes Trinkwasser allein durch die Betätigung der Toilettenspülung. Jährlich ergibt dies eine Wassermenge von 12.775 Liter pro Person. Mit Komposttoiletten (oder Trockentrenntoiletten) spart man nicht nur Wasser, sondern kann das “übrige” als Dünger verwenden, da es wertvolle Pflanzennährstoffe enthält. Dabei ist aber wichtig zu beachten, das richtige Verhältnis von Stroh / Holzspänen und Mikroorganismen zu finden, damit es wirklich kompostiert, betont Paula.
Wie kannst du mitwirken?
Prosiliako ist wirklich ein wunderbarer Ort! Kreativ, erfrischend, heilsam. Ein Ort, wo du dich selbst neu entdecken und viel Neues dazu lernen kannst.
Wenn du im Projekt mit leben und wirken möchtest, dann findest du alle Informationen und die Anmeldung über die Wwoofing-Plattform; Minimum: 1 Monat Aufenthaltszeit.
Hast du Interesse an einer Zusammenarbeit mit Prosiliako in Form eines Projektes, eines Workshop oder anderes, dann kannst du Paula hier kontaktieren.
Weiterführende Links für diejenigen, die mehr über Permakultur erfahren möchten
Webseite des Permakultur Institut e.V. und Permakultur Akademie – schön gestaltet um einen guten Überblick zu bekommen, angereichert mit Blogartikeln, Weiterbildungen, Kursen und Literaturempfehlungen
Arte-Doku auf YouTube (12 min): Besserer Anbau mit Permakultur
hr-Doku auf YouTube (44 min): Erfolgreich mit Permakultur? – Die Frankfurter Stadtfarm